Das neue digitale Kaufrecht

Vertragsrecht: Das neue digitale Kaufrecht

Produkte und Dienstleistungen mit digitalen Elementen, wie beispielsweise der Staubsaugerroboter oder das über ein digitales Boardsystem gesteuerte Auto, sind mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags. Aus rechtlicher Perspektive war es daher essenziell, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Regelungen zu den Schuldverhältnissen über diese Waren mit digitalen Elementen festzulegen bzw. bestehende Regelungen anzupassen. Im Zentrum der neuen Bestimmungen steht der B2C-Bereich und damit der Verbraucherschutz. Zusätzlich hat der deutsche Gesetzgeber auch Änderungen im B2B-Bereich vorgenommen. Für betroffene Unternehmen ist es daher unbedingt erforderlich, die neuen Verbraucherrechte zu kennen. Einige wesentliche Neuerungen und Änderungen werden in diesem Beitrag zusammenfassend dargestellt.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Hintergrund der Gesetzesänderungen ist die Angleichung der unterschiedlichen Regelungen des Warenkaufs und des elektronischen Handels auf dem europäischen Binnenmarkt. Hierzu setzte der deutsche Gesetzgeber zwei Richtlinien um: Die europäische Warenkaufrichtlinie (WKRL - (EU) 2019/771), welche den Kauf von Waren mit digitalen Elementen betrifft, und die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDRL - (EU) 2019/770), welche den Kauf digitaler Inhalte betrifft. Die Neuregelungen gelten ab dem 1. Januar 2022.

Neuer Sachmangelbegriff

Nach § 434 Abs. 1 BGB neue Fassung (n.F.) ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. Im alten Recht war vorrangig, welche Beschaffenheit die Vertragsparteien vereinbart hatten (subjektive Anforderung). Dies wird nun durch einen Gleichrang aller Anforderungen abgelöst. Die objektiven Anforderungen müssen nun zusätzlich zu den subjektiven Anforderungen vorliegen. Das bedeutet, dass eine Ware, die sich für die von den Vertragsparteien vorausgesetzte Verwendung eignet (subjektiv), dennoch mangelhaft sein kann, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (objektiv). In § 434 Abs. 2 BGB n.F. sind die Vorgaben für subjektive Anforderungen und in § 434 Abs. 3 BGB n.F. die Vorgaben für objektive Anforderungen enthalten.

Neue Definition: Waren mit digitalen Elementen

Der Gesetzgeber hat durch die Änderungen des BGB erstmals eine einheitliche Regelung zu digitalen Produkten für Verbrauchsgüterkaufverträge (B2C-Bereich, vgl. § 474 BGB) getroffen. Waren mit digitalen Elementen sind Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, so dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können (§ 327a Abs. 3 S. 1 BGB n.F.). Damit wird ein Kausalverhältnis zwischen dem Zweck der Sache und dem digitalen Element als Mittel zur Erreichung dieses Zwecks geschaffen. Als Beispiel seien an dieser Stelle unsere „intelligenten Haushaltshelfer“ wie Mäh- und Staubsaugerroboter, sprachgesteuerte Lautsprecher oder Smart-TVs genannt, deren Zweck nur durch digitale Elemente (z.B. Spracherkennungssoftware, Smartphone-App, etc.) erfüllt werden kann.

Gewährleistungsrecht bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen

Der deutsche Gesetzgeber hat ergänzend zum Sachmangelbegriff des § 434 BGB n.F. in den §§ 475b ff. BGB n.F. einen Abschnitt zur Gewährleistung bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen eingefügt. Besonders bemerkenswert ist die neue Aktualisierungsverpflichtung für digitale Elemente (siehe Artikel: "Die Aktualisierungspflicht beim Digitalkauf").Gemäß § 475b Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 BGB n.F. ist eine Ware mit digitalen Elementen nur dann mangelfrei, wenn zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen gemäß § 434 BGB n.F. (vgl. oben) die vereinbarten oder zu erwartenden Aktualisierungen der digitalen Elemente bereitgestellt werden. Diese Aktualisierungsverpflichtung kann auch über die Laufzeit der gesetzlichen Gewährleistungspflichten hinausgehen. Auch beim Rücktritt von Verbrauchsgüterkaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen gibt es gemäß § 475d Abs. 1 S. 1 BGB n.F. eine wichtige Neuerung. In den dort aufgezählten Fällen kann der Verbraucher ohne vorherige Fristsetzung gegenüber dem Unternehmer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Dies gilt zum Beispiel, sofern der Unternehmer die Nacherfüllung von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist nach Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher nicht vornimmt.

Erweiterung des Zeitraums der Beweislastumkehr

Gemäß § 477 Abs. 1 BGB n.F. wird der Zeitraum der Beweislastumkehr für einen Verbrauchsgüterkauf von sechs Monate auf ein Jahr erweitert. Dies bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass ein innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang auftretender Mangel bereits bei Gefahrübergang bestanden hat. Um die Vermutung zu widerlegen, muss der Verkäufer zum einen beweisen, dass der Mangel bei Gefahrübergang noch nicht vorhanden war. Zum anderen muss der Verkäufer beweisen, dass der aufgetretene Mangel nicht auf einem anderen, bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Mangel beruht. Diesen Nachweis zu erbringen, bereitet in der Praxis häufig große Schwierigkeiten.

Fazit

Die neuen Regelungen stärken insbesondere den Verbraucherschutz. Daher ist es für Unternehmen umso wichtiger, die neuen Pflichten zu kennen und sich auf die gesetzlichen Neuerungen einzustellen. Wir empfehlen daher, Standardverträge sowie Allgemeine Geschäftsbedingungen mit Blick auf die neuen Regelungen zu prüfen und hiernach die gebotenen Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen.

 

Richard Beckstein

Rechtsanwalt

Dipl.-Kfm.

 

 

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Alexander Frey

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Rechtsanwalt
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht