Die Aktualisierungs-
pflicht beim Digitalkauf

Die Aktualisierungspflicht beim Digitalkauf

Das neue Kaufrecht ist seit dem 01.01.2022 in Kraft und bringt einige bedeutsame Veränderungen mit sich (siehe Artikel: "Das neue digitale Kaufrecht"). Die umfangreichsten Änderungen betreffen den kaufrechtlichen Sachmangelbegriff, der nunmehr an verschiedenen Orten des BGB geregelt wird und der bei digitalen Waren eine Aktualisierungspflicht des Verkäufers beinhaltet. Viele Verkäufer von digitalen Produkten werden sich daher mit der Frage beschäftigen, was die Aktualisierungspflicht beinhaltet, wie sie umgesetzt wird und über welche Dauer sie besteht.

Anwendungssystematik

Aus der Umsetzung zweier EU-Richtlinien – der Warenkaufrichtline (WKRL) und der Digitale-Inhalte-RL (DIDRL) – folgt, dass im Kaufrecht verschiedene Sachmangelbegriffe an verschiedenen Regelungsorten existieren, die mit Hinblick auf die systematischen Anwendung voneinander abzugrenzen sind. Mit der WKRL wurde der Kaufvertrag über Waren mit digitalen Elementen eingeführt. Dabei wurde der Sachmangelbegriff im bereits bekannten § 434 BGB für analoge Kaufwaren neu geregelt und im § 475b BGB für Waren mit digitalen Elementen neu eingeführt. Die DIDRL betrifft Verträge über digitale Produkte oder digitale Dienstleistungen, die in den §§ 327 ff. BGB umgesetzt wurden und den Mangelbegriff in den §§ 327d, e und f BGB regeln. Für die Frage, ob sich die Mangelhaftigkeit einer Kaufsache anhand des § 475b BGB oder anhand der §§ 327 ff. BGB bestimmt, kommt es in erster Linie darauf an, ob die digitale Ware bzw. das Digitalprodukt seine Funktion auch ohne die digitalen Inhalte erfüllen kann oder nicht. Falls nicht, kommt § 475b BGB zur Anwendung, falls doch, müssen die §§ 327 ff. BGB herangezogen werden. Als klassisches Beispiel kann das Fahrzeug mit Navigationssystem herangezogen werden, denn das Fahrzeug kann seine Funktion (Fortbewegung) in aller Regel (anders ggf. bei hochmodernen Fahrzeugen) auch ohne Navigationsgerät erfüllen, weshalb sich ein Mangel am Navigationssystem über die §§ 327 ff. BGB bestimmt. Wird das Navigationsgerät erst nachträglich erworben und eingebaut und erweist sich die Software des Geräts als fehlerhaft, bestimmt sich dieser Mangel über § 475b BGB, da das Navigationssystem seine Funktion ohne die Software nicht erfüllen kann.

Inhalt der Aktualisierungspflicht

Es ist gleichgültig, ob ein Vertrag über Waren mit digitalen Inhalten oder ein Vertrag über digitale Elemente vorliegt, bei beiden besteht eine Aktualisierungspflicht (vgl. § 475b Abs. 2 Nr. 2, § 327f BGB). Aus der Aktualisierungspflicht folgt, dass das Produkt nicht nur dann mangelhaft ist, wenn es zum Verkaufszeitpunkt veraltete Software enthält, sondern es ergibt sich eine darüberhinausgehende Pflicht, den vertragsgemäßen Zustand nach der Übergabe der Ware und während der Nutzung zu erhalten. Eine Erhaltungspflicht bedeute nicht, die Funktion und Leistungsfähigkeit des Produktes zu verbessern oder zu erweitern. Daher sind höchstens Updates geschuldet, Upgrades aber nicht. Überwiegend geht es um die Kompatibilitäts-, Kontinuitäts- und Sicherheitserhaltung. Die Kompatibilität und die Kontinuität stehen in besonderer Weise für den Dauercharakter der Aktualisierungspflicht. So wird bei einem Navigationsgerät im Auto angenommen, der Verkäufer sei iRd Gewährleistung nicht verpflichtet, Aktualisierungen bereitzustellen, wenn sich das Straßennetz ändert. Denn er schulde die umfängliche Abbildung des Straßennetzes nur bei Gefahrübergang.

Im Hinblick auf die Kontinuität dürfte der Unternehmer auch hier zur Aktualisierung verpflichtet sein. Anderenfalls wäre kaum zu erklären, welche eigenständige Bedeutung der Kontinuität neben der ebenfalls benannten Funktionalität zukommen soll.

Dauer der Aktualisierungspflicht

Die Pflicht zur Aktualisierung beginnt im Zeitpunkt der erstmaligen Bereitstellung, weshalb sich die Frage nach dem Ende stellt. Unglücklicherweise sieht das Gesetz eine zeitliche Beschränkung für die Dauer der Aktualisierungspflicht an keiner Stelle vor. Dies erfährt heftige Kritik im Schrifttum und in der Literatur. Erster Anknüpfungspunkt ist der Bereitstellungszeitraum. Werden digitale Inhalte dauerhaft bereit gestellt (bspw. Instagram, TikTok), so besteht die Aktualisierungspflicht während des gesamten Bereitstellungszeitraumes. Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung der Dauer aber dann, wenn die Produkte nur einmalig bereitgestellt werden (bspw. Smartphone, Smart.TV). Es wird vertreten, dass die Aktualisierungspflicht dann nach der zweijährigen Verjährungsfrist der Gewährleistungsdauer endet. Es gibt aber auch Stimmen, die eine Pflicht über diesen Zeitraum hinausgehend sehen. Dann richtet sich die Dauer nach dem Einzelfall. Anhaltspunkte können zum einen der Wert der Sache sein. Umso höher der Wert, desto länger die Pflicht zur Erhaltung. Andererseits kann die übliche Nutzungs- und Lebensdauer eine bedeutsame Rolle spielen. Die Nutzungsdauer kann in den AGB nicht festgelegt werden, eine individualvertragliche Vereinbarung ist u. U. möglich.

Umsetzung der Aktualisierungspflicht

Der Verkäufer muss die die Aktualisierungen unverzüglich bereitstellen, sobald diese für ihn verfügbar sind. Er kann die Updates oder Downloads über verschiedene Wege, d. h. per WhatsApp, SMS, E-Mail oder postalisch oder per Datenträger an den Käufer übermitteln. Eine Delegation an den Hersteller ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Bei der Neuausrichtung von AGB oder bei der Beratung einer praktischen Umsetzung beraten wir Sie gern.

 

Nico Hilbert

Rechtsanwalt

Betriebswirt (VWA)

 

 

Ihr Ansprechpartner

Nico Hilbert

Rechtsanwalt
Betriebswirt (VWA)