Entschädigungs-
anspruch
gemäß § 642 BGB

(nach OLG Karlsruhe vom 27.08.2020 – 8 U 49/19)

Die Vorschrift des § 642 BGB erfordert eine Abwägungsentscheidung des Tatrichters auf der Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien, die dem Gericht keine exakte Berechnung vorgibt (Umsetzung von BGH, Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19).

Ausgangsfall
Ein Unternehmen für Bodenbelagsarbeiten kann mit seiner Leistung nicht beginnen, da wichtige Vorarbeiten (Austrocknen des Estrichs) zum vereinbarten Zeitpunkt nicht abgeschlossen sind. Der Unternehmer erhebt Klage und verlangt vom Besteller Entschädigung wegen Annahmeverzugs gemäß § 642 BGB in Höhe von 73.036,24 €. Zur Begründung führt er an, er habe vier angestellte Mitarbeiter, die weiterbezahlt und vorgehalten werden mussten. Soweit diese im vakanten Zeitraum auf anderen Bauvorhaben arbeiten konnten, wird dies bei der Berechnung des Unternehmers berücksichtigt. Im Berufungsverfahren macht der Unternehmer zudem geltend, er habe weitere Kleingeräte unproduktiv vorhalten müssen.

Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht bejaht den Anspruch des Unternehmers in Höhe von 46.614,61 € (aus einer Summe, die in der Berufungsinstanz auf 91.478,18 € erhöht worden war). Zur Begründung führt das OLG Karlsruhe aus, der Besteller habe sich in Annahmeverzug befunden, da kein baureifes Baufeld zur Verfügung stand. Nachdem die Leistungszeit in der Form einer Ausführungsfrist nach dem Kalender bestimmt war, bedurfte es keines zusätzlichen wörtlichen Angebots gemäß § 296 BGB. Das OLG Karlsruhe führte eine Beweisaufnahme zur tatsächlichen Vakanz durch. Nachdem ein anfänglicher Verzug vor Beginn der eigentlichen Leistungserbringung vorlag und dieser zwischen den Parteien auch unstrittig war, war eine bauablaufbezogene Darstellung für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nicht erforderlich. Zur Berechnung der Anspruchshöhe beruft sich das Gericht auf die Möglichkeit, gemäß § 287 ZPO den Entschädigungsanspruch zu schätzen.
Als Ausgangsbasis für die Stundensätze beruft sich das Gericht auf den Kalkulationslohn. Da die Baustellengemeinkosten nicht als eigenständige Kostenposition kalkuliert waren, sondern als Zuschlag auf Lohn- und Stoffkosten geltend gemacht wurden, hat das Gericht einen Kostenansatz verneint.

Praxistipp
Das OLG Karlsruhe wendet in seiner Entscheidung die vom BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 30.01.2020 aufgestellten Leitsätze an. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Annahmeverzug gemäß § 642 BGB nicht mit einem Behinderungssachverhalt gemäß § 6 VOB/B gleichzusetzen ist. Voraussetzungen des Annahmeverzugs sind zum einen die Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers und zum anderen ein Angebot zur Erbringung der Leistung.
Letzteres Kriterium ist bei einer vertraglich definierten Leistungszeit jedoch entbehrlich. Der Auftragnehmer muss zur Geltendmachung eines erfolgreichen Anspruchs vortragen, welcher Mitarbeiter in dem fraglichen Zeitraum welche Leistungen erbracht hat und welche nicht. Weiter muss vorgetragen werden, welche Geräte sinnlos herumstanden. Stoffkosten können nicht geltend gemacht werden, da ja auch keine Leistung stattfand.
Der Kalkulationslohn kann als Ausganspunkt für den Entschädigungsanspruch dienen, jedoch sind auch weitere Kosten denkbar. Diese sind jedenfalls die Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, sowie Wagnis und Gewinn. Als Umkehrschluss ist auch ein Kostenansatz für BGK jedenfalls dann denkbar, wenn diese als eigenständige Kostenposition kalkuliert sind. Soweit bei Vereinbarung eines Preises Nachlässe gewährt wurden, sind auch diese zu berücksichtigen. Der Entschädigungsanspruch ist zuzüglich der Mehrwertsteuer zu berechnen.

Sollte der Stillstand und damit die Grundlage des Annahmeverzugs zwischen den Parteien streitig sein, wird der Auftragnehmer seinen Anspruch bauablaufbezogen darstellen müssen.

 

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