Umfang- und Detailierungsgrad eines ordnungsgemäßen Bedenkenhinweises „Zukunftsmusik“ im privaten Bau- und Architektenrecht

Verteilung des Pandemierisikos in der Gewerberaummiete

Die COVID-19-Pandemie hat viele Gewerbetreibende wirtschaftlich stark getroffen. Durch den Lockdown und die damit verbundenen staatlich verhängten Schließungsanordnungen konnten die angemieteten Gewerberäume über Monate hinweg nicht oder nicht so genutzt werden, wie es bei Anmietung beabsichtigt war. Die Frage, ob die erheblichen Nutzungsbeschränkungen der Gewerberäume während des Lockdowns zu einer Herabsetzung der Miete führen, hat in der Vergangenheit mehrfach die Gerichte beschäftigt.

In rechtlicher Hinsicht mussten die Gerichte insbesondere zwei Fragen klären: Stellen die staatlichen Schließungsanordnungen einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel im Sinne des § 536 BGB dar? Liegt darin möglicherweise eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB?

Zur Frage des Mietmangels haben die Gerichte überwiegend entschieden, dass ein Mangel des Mietobjekts wegen Covid-19 bedingter Schließungsanordnungen nicht vorliegt. Begründet wird dies von den Gerichten damit, dass die Schließungen nicht unmittelbar an die Beschaffenheit der Mietsache selbst, sondern allein an den Betrieb des Mieters anknüpfen.

Zur zweiten Frage, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorliegt, besteht seit Änderung des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB zumindest die gesetzliche Vermutung, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen veränderten Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB darstellen, sofern für den Betrieb des Gewerbemieters die vermieteten Räume oder Grundstücke nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind.

Die Vermutungsregelung des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB bezieht sich jedoch nur auf ein Element des § 313 BGB - die Änderung wesentlicher Umstände. Eine Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB setzt aber weiter voraus, dass dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Wann dies der Fall ist, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.  

Einige Gerichte haben entschieden, dass die Annahme der Unzumutbarkeit im Sinne von § 313 BGB nur in existenzvernichtenden Ausnahmefällen in Betracht kommt, welche der Mieter darzulegen und zu beweisen hat.

 

Andere Gerichte, so unter anderem das OLG Dresden (Urteil vom 24. Februar 2021 –5 U 1782/20) halten eine existenzgefährdende Lage des Mieters für nicht erforderlich, um eine Anpassung zu begründen. Das OLG Dresden hat im Rahmen der nach § 313 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Risikosphären darauf abgestellt, dass die staatlich angeordnete Schließung von Gewerbebetrieben ein „außergewöhnliches Risiko“ darstellt, welches außerhalb der Verantwortungssphären von Vermietern und Mietern liegt, weshalb sich beide Parteien dieses Risiko „solidarisch teilen“ müssen.

Zu dem Urteil des OLG Dresden verhandelte nun erstmals der Bundesgerichtshof am 1. Dezember 2021 (Az. XII ZR 8/21). Nach erster Einschätzung ist den Richtern des Bundesgerichtshofes eine 50/50 Lösung wohl zu pauschal. Vielmehr muss mitberücksichtigt werden, ob der betroffene Mieter staatliche Hilfen oder Leistungen aus einer Versicherung erhalten hat. Dies dürfte eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls erfordern.

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung wird am 12. Januar 2022 erwartet.

Selbstverständlich werden wir Sie auch an dieser Stelle über die neuesten Entwicklungen im Bereich des Gewerberaummietrechts weiter auf dem Laufenden halten.

 

Katrin Frey-Schillinger

Rechtsanwältin

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