Etikettenschwindel

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17.10.2023 – 1 LA 55/23

Bei Nichtvorlage der geforderten Unterlagen darf die Bauaufsichtsbehörde die Bearbeitung eines Bauantrags gem. § 69 Abs. 2 NBauO a. F. ablehnen.

1. Die Bauaufsichtsbehörde darf bei einem Verdacht dafür, dass der Bauherr ein anderes als das genehmigte Vorhaben verwirklichen möchte („Etikettenschwindel“), Bauvorlagen nachfordern.

2. Gem. § 69 Abs. 2 NBauO a. F. darf und soll die Bauaufsichtsbehörde die Bearbeitung des Bauantrags ablehnen, wenn eine materielle Prüfung des Vorhabens nicht hinreichend möglich ist.

3. Die Bauaufsichtsbehörde darf ausnahmsweise ein Vorhaben in einer anderen als der beantragten Gestalt beurteilen, wenn die beantragte Nutzung objektiv nicht möglich ist oder tatsächlich nicht angestrebt wird.

 

Der Fall:

Der Kläger ist zugleich Landwirt und Lohnunternehmer. Die Hoffläche und Halle auf seinem Grundstück nutzte er früher auch zu gewerblichen Zwecken, ehe eine Nutzungsuntersagung erteilt wurde, weil nur die landwirtschaftliche Nutzung von der Baugenehmigung umfasst war.

Der Kläger beantragte, die Erweiterung der Hoffläche und eines diese umgebenden Erdwalls zu genehmigen. Die Baubehörde verlangte die Vorlage von Betriebsbeschreibungen für Landwirtschaft und Lohnunternehmen, um auszuschließen, dass die Fläche erneut auch gewerblich genutzt wird. Der Kläger legte diese jedoch nicht vor, sodass die Behörde die weitere Bearbeitung des Bauantrags ablehnte. Aufgrund des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte ging der Beklagte nicht davon aus, dass die gewerbliche Nutzung endgültig aufgegeben wurde.

 

Die Entscheidung:

Das OVG Niedersachsen bestätigte, dass die Behörde gem. § 69 Abs. 2 BauNVO a. F. (bis 31.12.2021) die weitere Bearbeitung des Bauantrags ablehnen durfte, weil die Bauvorlagen unvollständig waren. Auf Nachforderung der Behörde hätte der Kläger auch eine Betriebsbeschreibung des Lohnunternehmens vorlegen müssen, damit diese beurteilen kann, ob tatsächlich auch eine gewerbliche Nutzung angestrebt wird und nicht nur die beantragte Nutzung („Etikettenschwindel“). Hierfür bestanden tatsächliche Anhaltspunkte, weil der Kläger über enorm viele Fahrzeuge und Maschinen, aber keinen neuen Standort für sein Lohnunternehmen verfügte und in nicht genau bekanntem Umfang seine landwirtschaftlichen Maschinen an sein Lohnunternehmen vermietete.

Zwar beantragte der Kläger nur die Genehmigung hinsichtlich der landwirtschaftlichen Nutzung. Grundsätzlich muss die Behörde auch das Vorhaben in der beantragten Gestalt beurteilen. Ausnahmsweise aber ist eine andere Beurteilung zulässig, wenn die beantragte Nutzung objektiv unmöglich ist oder tatsächlich nicht angestrebt wird.

 

Fazit:

Im Ergebnis stärkte das OVG Niedersachsen die Rolle der Bauaufsichtsbehörde, die Genehmigungsfähigkeit baulicher Vorhaben überprüfen zu können. Um dies zu gewährleisten, darf die Behörde auch Unterlagen nachfordern, wenn zu vermuten ist, dass tatsächlich nicht das beantragte Vorhaben verwirklicht werden soll. Sofern dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, darf sie auch die Bearbeitung des Bauantrags verweigern.

 

Autor: Jan Ludwig, Rechtsreferendar THORWART

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